Verschlossenes Paradies am Starnberger See
Buchautor Alfons Schweiggert fordert ein Ludwig II.-Museum in Berg, wo der König oft stundenlang in weltverlorener Zurückgezogenheit sinniert haben soll.
Von Katja Sebald, Berg
Die Gemeinde Berg braucht ein Museum für den König und sein Schloss, fordert der Ludwig-Forscher Alfons Schweiggert. Schloss Berg, davon ist er überzeugt, war das Lieblingsschloss des unglücklichen Märchenkönigs. Unmittelbar nach dem Tod von König Ludwig II. im Juni 1886 hatte man das Schloss selbst zum Museum erklärt, bereits im ersten Sommer strömten Tausende von Schaulustigen nach Berg, um Unglücksort und Todesstelle im Park zu besichtigen. Postkarten mit Abbildungen von den historischen Wohnräumen wurden gedruckt, um die Jahrhundertwende erschienen bereits illustrierte Reiseführer zu Schloss Berg. Doch das ist lange her: Seit 1923 gehört Schloss Berg dem Wittelsbacher Ausgleichsfonds und ist seither nicht mehr zu besichtigen. Am 173. Geburtstag des Königs an diesem Samstag wird es in Berg ruhig sein. Die offiziellen Feierlichkeiten mit Musik, Literatur und nächtlichen Führungen finden in Schloss Linderhof statt. Zu Lebzeiten beging der König seinen Geburtstag – zugleich sein Namenstag – am 25. August meistens am Starnberger See. „König Ludwig II. und sein Paradies am Starnberger See“ heißt das 2017erschienene Buch von Alfons Schweiggert, dem im Frühjahr eine gleichnamige Ausstellung in Benediktbeuern folgte. Im Buch wie auch kürzlich bei einer Veranstaltung fordert Schweiggert die Errichtung eines Schloss-Berg-Museums in der Ostufergemeinde. Schloss Berg führe im Vergleich zu den berühmten Königsschlössern Neuschwanstein, Linderhof und Herrenchiemsee, die alljährlich von Millionen besichtigt werden, ein Schattendasein, so Schweiggert. Dabei sei es jener Ort, an dem Ludwig die meiste Zeit verbrachte, die „sonnigste und düsterste Zeit seines Lebens“, wie einst Schriftstellerin Luise von Kobell schrieb: „Wie in einem Ring berühren sich hier Anfang und Ende.“
Schloss Berg und Votivkapelle auf einer Postkarte aus dem Jahr 1914. (Foto: Kunst- und Verlagsanstalt Martin Herpich, München/oh)
Tatsächlich zog der König jedes Jahr am 11. Mai seinen Sitz nach Berg und führte von dort bis Ende Oktober die Regierungsgeschäfte. Dafür ließ er eigens eine Telegrafenleitung von München nach Berg verlegen. Im Buch versucht Schweiggert, den sommerlichen Alltag des Königs zu rekonstruieren. Freilich galt bei der Recherche auch für ihn, was für alle anderen Sterblichen gilt: Wer heute das Schloss Berg von innen sehen will, erhält die Auskunft, dass es nicht zu besichtigen ist und von den Wittelsbachern rein privat genutzt wird. Auch er konnte also nur bei einer Bootsfahrt einen Blick auf das hinter Bäumen und hohen Mauern versteckte Gebäude erhaschen. Angesichts dieser für ein Forschungsprojekt denkbar schlechten Ausgangslage hat er dennoch erstaunliche Details zutage gefördert. So fand er beispielsweise einen Bericht des Kabinettsekretärs Friedrich von Ziegler, demzufolge „Seine Majestät während des Aufenthalts in Berg jeden Sonntag Vormittag 11 Uhr die Messe in der dortigen kleinen Kirche“ besuchte. Gemeint ist nicht die Pfarrkirche in Aufkirchen, sondern St. Johannes in Berg: „Seine Majestät fuhren im offenen Wagen die Dorfstraße von Schloss Berg zum Kirchlein.“ Auch an seinem 27. Geburtstag am 25. August 1872 – einem Sonntag – erschien der König ohne vorherige Ankündigung und Hofstaat, nur von seinem Adjutanten begleitet, in der kleinen Kirche und kniete vor den Augen der erstaunten Dörfler und Sommergäste auf seinem Betstuhl nieder, um der Messe beizuwohnen. Jahre später ließ sich der menschenscheu gewordene König im Schlosspark eine neugotische Kapelle errichten, in der ein Geistlicher für ihn ganz alleine die Messe lesen musste. Am Vorabend seines Todes jedoch soll er noch einmal den Wunsch geäußert haben, den Gottesdienst in der Dorfkirche besuchen zu dürfen, was man ihm jedoch verwehrte. Die historischen Abbildungen im Buch zeigen nicht mehr vorhandene Gartendetails wie den Glaspavillon, den Ludwig als Teehaus nutzte, oder den Laubengang, durch den er ans Ufer und zum Landesteg seines Privatdampfers gelangte. Damit erschöpft sich jedoch das historische Bildmaterial im Buch auch schon weitgehend. Darüber, wie die Innenräume von Schloss Berg nach den umfassenden Renovierungen in den 1950er und 1980er Jahren aussehen, kann nur spekuliert werden. Angeblich ist nichts mehr vorhanden, was an den unglücklichen König erinnern würde.
So sieht das Schloss Berg mittlerweile aus. Es ist nicht öffentlich zugänglich – auch nicht am Geburtstag des Märchenkönigs. (Foto: Georgine Treybal)
Schon zu Ludwigs Lebzeiten war es offensichtlich nicht so einfach, ins Schloss zu gelangen. Der badische Gesandte Robert Mohl schrieb im Jahr 1870 über eine Audienz bei Ludwig II.: „Interessant war mir immerhin, nach Berg zu kommen, was sonst fast hermetisch verschlossen war. Ich erwartete von Schloss und Garten Wunderdinge, fand mich jedoch hierin sehr getäuscht. Der Garten bestand eigentlich nur aus Wald, an dessen Fuß längs des Sees ein Weg hinzog, und aus einigen wenigen Blumenbeeten; das Schloss war klein, eng und außerordentlich einfach, namentlich auch das Zimmer des Königs selbst…“. Weiter berichtet er, dass es im ganzen Haus „sehr unangenehm nach fotografischen Agentien“ roch. Schweiggert hat dazu eine Fotografie aufgetan, die den jungen König mit einer Kamera zeigt – eine plumpe Montage. So ist es auch kein Wunder, dass bislang keine Aufnahmen gefunden wurden, die Ludwig selbst gemacht haben könnte. Eine Ergänzung der zeitgenössischen Beschreibung des Parks liefert ein Foto aus dem Jahr 1929, das nicht im Buch abgebildet ist, sondern sich im Archiv des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege finden ließ: Von einer Gartenanlage kann zu diesem Zeitpunkt kaum mehr gesprochen werden, auf der Wiese vor dem Schloss wurde Heu gemacht. Bis nach dem Zweiten Weltkrieg hatte das Schloss noch zinnenbekrönte Türme und den gelben Anstrich im Maximilianstil. Im öffentlich zugänglichen Teil des Schlossparks kann man auch heute noch auf den Spuren des Königs wandeln. Spannender als die angebliche Todesstelle mit Kreuz und Votivkapelle ist aber eine versteckt gelegene Höhle. In einem Buch aus dem Jahr 1905 fand Schweiggert die Beschreibung eines Fußwegs, der „oberhalb eines Weihers“ zu einer „steil abfallenden Felswand“ führte, „in die König Ludwig II. eine heute noch zugängliche Höhle brechen ließ; hier beabsichtigte er, die blaue Grotte anlegen und Schloss Linderhof errichten zu lassen. Das Projekt wurde ihm aber verleidet, später kam der Bau im Graswangtal zur Ausführung. In der Höhle befanden sich Bänke, auf denen der König oft stundenlang in weltverlorener Zurückgezogenheit rastete.“ Womöglich auch an seinem Geburtstag.
©SZ vom 25.08.2018
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